Samstag, 23. August 2008

Rezension zu Perfect von unserer Isa


Vorsicht: Diese Rezension ist ekelhaft emotiv und ausschweifend. Ich hoffe es ist mir gegönnt

Natürlich gibt es einen Haufen Lieder, die ich zeitweilig sehr gern höre, aber niemals in Endlosschleife, weil mir dann letztendlich das letzte Quäntchen Raffinesse fehlt.
Ab und zu kommt es aber doch mal vor, dass mich ein Song bis ins Innerste trifft, dass ich dann einfach nur noch hypnotisiert bin.
So was passiert mir selten, aber ich könnte das Lied dann ein Jahr lang ununterbrochen hören und hätte trotzdem noch nicht genug.
Es gibt z.B. drei Instrumentalsongs, bei denen ich jedes Mal total ergriffen bin, wenn ich sie höre:

- die Mondscheinsonate von Beethoven

- das Braveheart-Thema

- Requiem of a dream von Clint Mansell

Bei Popsongs bin ich sogar noch kritischer, weil hier mein Anspruch an die Musik so hoch ist, dass Interpret, Produktion (Instrumentalisierung), Text und Komposition inklusive nervtreffender Hookline für mich die perfekte Einheit bilden müssen, damit ich mich vollends darin verlieben kann.
Das hier sind Popballaden, die in meinen Augen unantastbar sind und jede Coverversion oder Remix zu einem Kapitalverbrechen machen:

- What's going on von Marvin Gaye

- Kiss from a rose von Seal

- Nothing compares to you von Sinead O'Connor

- Stranger in Moscow von Michael Jackson

- Lost von Michael Bublé


Fady hat es geschafft, dass ich meine Bestenliste editiere: Mit "Perfect".
Als ich den Song zum ersten Mal in voller Länge hörte, saß mir ein gewaltiger Kloß im Hals und mehr als eine Designerträne wollte mir das Gesicht runter rasen. Das Ganze war wie ein bezaubernder Schlag in die Fresse und ich musste erstmal drei Zigaretten hintereinander wegpaffen um mich zu sammeln.
Noch leicht benebelt wagte ich mich an einen weiteren Hörversuch und wurde abermals von der Schönheit des Songs erschlagen. Es hat lange gedauert bis ich anfangen konnte "Perfect" im Groben zu analysieren, weil mir die akustische rosarote Brille völlig das Gehirn verschwadert hatte

Und jetzt zur eigentlichen Rezension

Heißkalt geht's los mit "Standing". Kein überflüssiges Intro, Fady kommt direkt zur Sache. Man spürt sofort, dass er etwas wichtiges mitzuteilen hat und das tut er ganz behutsam und sanft und gibt mir mit der Tiefenschärfe seiner Stimme die volle Breitseite Intimität, dass mir die Spucke wegbleibt...nach nur 30 Sekunden!!! Das Klavier ist mein Zeuge.
Nach der wundervollen ersten Strophe wird's jetzt nahezu träumerisch. Fady erzählt mit einer zauberhaften Nachsichtigkeit:

And from the moment that she wakes in the morning
Till the stars are coming out at night
So immaculately dressed, never fails to do her best
But this fire that burns is never satisfied

Eine grandiose Ambivalenz, wie ich finde: Ich kann gleichzeitig ein Glitzern in seinen Augen hören.
Im Refrain vertritt er voller Inbrunst seine Ansicht über die hohe Kunst des Nichtperfektseins und ich kaufe ihm nicht nur jedes Wort und jeden Ton ab, weil mir der Text ganz gut gefällt, sondern weil Fady hier tatsächlich jede Silbe lebt.
In der zweiten Strophe macht sich bei mir schlimme Schizophrenie breit: Ich weiß nicht, wem ich mehr Aufmerksamkeit schenken soll...Fady oder der grandiosen Instrumentalisierung? Fady gewinnt letztendlich punktgenau mit "let it go", da er mich grundsätzlich immer kriegt, wenn er den Tiefbrummer macht. Mehr, mehr, mehr!
Die jazzig verklimperte Überleitung kommt wieder ins Spiel und mit ihr der Singing in the rain-Fady mit den Glitzeraugen. Und ich finde es einfach großartig!
Das interessante am Refrain ist, dass er nicht jazzig daher kommt wie der Übergang, sondern unauffällig ins Swingmetier abdriftet. Er wirkt musikalisch ausladener und sehr weitgreifend.
Sobald Fady "Who needs to be perfect" anklingen lässt, sind wir aber schon wieder raus aus der Swingschiene, fast schon auf der Popebene angekommen. Und das ist einfach das geniale an dem Song: Hier geben sich mehrere Genre die Klinke in die Hand, ohne dass man auch nur annähernd das Gefühl hat über Türschwellen zu stolpern.
Nächstes Beispiel: Fady führt uns nach den paar Sekunden Poperlebnis mit einem zuckersüßen, fast schüchternen "Not I" zu einem romantisch-jazzigen Ausgang.
Und jetzt hab ich das Gefühl, dass er eine Art Tür öffnet mit "Turn around" und für mich plötzlich Cabaret singt!
Das ist nicht nur musikalisch ganz großes Kino, sondern auch gesanglich und die Dramaturgie findet jetzt mit dem mehrfach wiederholten "Not I" ihren absoluten Glanzpunkt!
Das anschließende Bassintermezzo holt mich von der Cabaretbühne zurück zum Schmuseswinger, der jetzt noch ne Schippe drauf legt. Ich weiß mittlerweile nicht mehr wo oben und unten ist, sondern Stelle irgendwann in meinem hypnotischen Wahn fest, dass das Lied vorbei ist. Meine Sinne melden mit allerletzter Kraft ganz Teletubby-like ans Gehirn: Nochmal, nochmal!

Fazit: Meines Erachtens ist Perfect der Qualitätskracher Nummer 1 auf dem Album. Nicht nur deshalb, weil ich etwas für Swing- und Jazzpop übrig habe, sondern weil ich es allgemein sehr begrüße, wenn in einem Song nicht jede gottverdammte Harmonie aufgelöst wird und auch mal Dissonanzen als Stilmittel ihre Chance erhalten.
Des weiteren finde ich, dass Fady bei "Perfect" seine Stimme am facettenreichsten präsentiert. Für die Zukunft hoffe ich ganz dringend auf mehr in diese Richtung von ihm!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich habe ganz selten eine Rezension von einem Song gelesen,die mich soo tief berührt hat,daß ich während des Lesens den Titel hören konnte.
Ui,war das gänsehautig !!!
LG
ROXANE

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